Aufstieg, Fall und Zukunft der kostenlosen Retouren
Kostenlose Retouren sollten der Vergangenheit angehören. Die Gründe dafür sind vielfältig.
Es ist vielleicht die größte Fehlentscheidung von Unternehmen im E-Commerce: gebührenfreie Retouren. Es mag verheißungsvoll klingen, aber Retouren sind keineswegs für alle Beteiligten kostenlos. Genauso wie es Geld und Ressourcen kostet, ein Paket von A nach B zu schicken, kostet es auch, es von B nach A zurückzuschicken. Irgendjemand muss die Rechnung bezahlen.
Bislang hat der Einzelhandel die Retourenkosten selbst getragen, aber es ist sehr wahrscheinlich, dass die Ära kostenloser Retouren ein Ende nimmt. Die Ankündigung von Zara im vergangenen Jahr, ihren Kund*innen die Rücksendekosten in Rechnung zu stellen, könnte einen Dominoeffekt im Einzelhandel auslösen, und vielleicht ist das gar nicht so schlecht. Eine Retoure kostet einen Shop im Schnitt um die 12,50 Euro – ein Preis, der sich auch durch die handelsüblichen Retourenkosten für Konsument*innen nicht kompensieren lässt. Aber warum sind – aus Konsument*innen-Sicht – Gratis-Retouren heute immer noch die Norm?
Die Ära der kostenlosen Lieferung und Retouren
In den Anfängen des Online-Handels boten Online-Shops kostenlose Lieferungen und Retouren an, um den Verbraucher*innen das digitale Shopping schmackhafter zu machen. Da Verbraucher*innen im Ladengeschäft keine Liefer- oder Rücksendegebühren zu tragen haben, konnte ein kostenloser Versand die Hemmschwelle zum Wechsel in den digitalen Shop verringern.
Durch das Angebot kostenloser Lieferungen und Retouren konnten (damals) aufstrebende Plattformen wie Zalando und Amazon große Marktanteile gewinnen. Sogar der damalige Zalando-Slogan beinhaltete die Retouren-Politik des Marktplatz-Giganten: „Schrei vor Glück! Oder schick‘s zurück“. Aufgrund ihrer Größenvorteile konnten diese E-Commerce-Riesen ihre Logistikkosten pro Paket auf ein Minimum reduzieren, was es für kleinere Online-Shops sehr viel schwieriger machte, konkurrenzfähig zu bleiben. Infolgedessen wurde der kostenlose (Rück-)Versand in der gesamten Branche schnell zur Norm. Man kann es den Verbraucher*innen nicht verübeln, dass sie immer anspruchsvoller werden: Lange Zeit boten ihnen die E-Commerce-Giganten im Kampf um Marktanteile ein Höchstmaß an Flexibilität und Service, ohne etwas dafür zu verlangen.
Die Kopfschmerzen der Retourenlogistik: von B nach A
Dabei haben viele Verbraucher*innen aus den Augen verloren, dass der gesamte Lieferprozess mit einem erheblichen Zeit- und Kostenaufwand verbunden ist. Immerhin geben 60 Prozent der deutschen Käufer*innen als Grund für einen Kaufabbruch an, dass die Lieferkosten zu hoch sind1. Angefangen bei den Kosten für die Verpackung und den Mitarbeiter*innen, die Pakete verpacken, bis hin zum Versanddienstleister, der im schlimmsten Fall mehrere Zustellversuche unternehmen muss, um die Bestellung zu den Empfänger*innen zu bringen. Hinzu kommen Kosten für die Retour eines Pakets. Online-Händler*innen können die Einnahmeausfälle und den logistischen Aufwand für die Retouren kaum kompensieren.
Die Umstellung von kostenlosen auf kostenpflichtige Retouren erfordert jedoch einiges an Bedenken. 61 Prozent der deutschen Online-Käufer*innen schicken regelmäßig ein Produkt zurück, wenn sie nicht zufrieden sind. Zudem glauben knapp die Hälfte, dass die Kosten der Rücksendung in der Verantwortung des Online-Shops liegen. Doch warum stirbt dieses Phänomen langsam aus? Drei Gründe, warum es an der Zeit ist, die kostenpflichtige Retouren zum Standard zu machen:
1) Garantierte Retouren
Der Nachteil der Gratis-Retouren für Online-Shops besteht darin, dass sie Verbraucher*innen dazu verleitet, sie tatsächlich in Anspruch zu nehmen. Wenn der Rückversand sowieso kostenlos ist, warum dann nicht gleich zwei oder drei Exemplare bestellen und zu Hause die ideale Größe und Farbe ausprobieren? Mit Rückgabefristen von 30 Tagen (Zara, H&M) bis zu 100 Tagen (Zalando) haben die Konsument*innen genügend Zeit, die bestellten Produkte in Ruhe zu testen und nur das zu bezahlen, was sie tatsächlich behalten. Der Nachteil: Werden drei verschiedene Größen bestellt, ist von vornherein klar, dass eine Retour unvermeidlich ist. Würden die Händler*innen Rücksendeinformationen zur Verbesserung ihrer Produktinformationen nutzen, könnten viele dieser Retouren von vornherein vermieden werden.
2) Mangelndes Bewusstsein
Da die Anzahl der Pakete und Retouren von Jahr zu Jahr zunimmt, schießen die Retourenkosten in die Höhe. Dennoch scheinen sich viele Verbraucher*innen der Kosten einer Retoure nicht bewusst zu sein. Die Einführung eines Rücksendeentgelts würde die Einkäufer*innen dazu bewegen, ihr eigenes Bestell- und Rücksendeverhalten zu überdenken. H&M erhebt seit einiger Zeit eine Gebühr von 0,99 €, die zwar vor allem symbolischen Charakter hat, aber die Kund*innen dazu anregt, zweimal darüber nachzudenken, ob sie eine Bestellung aufgeben und zurücksenden.
3) Umweltbewusst handeln
In einer Welt, in der Nachhaltigkeit immer wichtiger wird, ist es bemerkenswert, dass regelmäßige Retouren gleichzeitig noch als Selbstverständlichkeit gehandhabt werden. Im Durchschnitt legen Retouren einen längeren Weg zurück (Hin- und Rückweg) und werden mindestens zweimal (neu) verpackt: ein kostspieliger Prozess, der vor allem der Umwelt schadet. Wenn man bedenkt, dass die Mehrheit der Verbraucher*innen regelmäßig ein Paket zurückschickt, kann man sich die Auswirkungen vorstellen. Daher versuchen Online-Shops die Umweltauswirkungen von Retouren zu bedenken, nachhaltiger zu gestalten und Wege zu finden, diese zu reduzieren. Immerhin sind 70 Prozent der Deutschen der Ansicht, dass die hohe Anzahl der Retouren ein Problem für die Umwelt sind und 34 Prozent sind bereit, mehr für eine nachhaltigere Lieferoption zu zahlen.
Alles in allem werden kostenlose Retouren nicht mehr selbstverständlich sein, und es obliegt Händler*innen, den Kurs zu ändern. Kostenpflichtige Retouren sind nicht nur ein wichtiger Schritt zur Senkung der Logistikkosten, sondern auch eine Chance für die gesamte E-Commerce-Branche, das eigene Verhalten bei Retouren kritisch zu hinterfragen.
Geschrieben von Rob van den Heuvel, CEO von Sendcloud
Dieser Artikel wurde zuerst auf dem Portal Logistik-Watchblog.de veröffentlicht.