ICG und KPMG stellen neue Studie zur Governance für die Immobilienwirtschaft vor
Vier Governance-Funktionen, die Beratungs- und Überwachungsfunktion haben, sind mehrheitlich etabliert
Die Bewältigung der Corona-Pandemie hat die Governance-Systeme aller Unternehmen auf den Prüfstand gestellt und gleichzeitig deren Notwendigkeit für das effektive Management von Risiken und Krisen aufgezeigt. Auch die wirtschaftlichen und regulatorischen Anforderungen an die Governance von Unternehmen in der Immobilienwirtschaft wachsen zunehmend, während sich gleichzeitig der Grad der Ausgestaltung aufgrund unspezifischer und auslegungsbedürftiger externer Vorgaben in den einzelnen Unternehmen stark unterscheidet.
Aus diesem Grund hat das Institut für Corporate Governance in der deutschen Immobilienwirtschaft (ICG) gemeinsam mit der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG die „Governance-Studie für die Immobilienwirtschaft 2021“ durchgeführt, in der Benchmark-Informationen sowie der Reifegrad von Governance-Systemen und Entwicklungstendenzen bei Unternehmen der Immobilienwirtschaft untersucht wurden. Dabei zielt die Studie auch darauf, weitere Entwicklungspotenziale in den Unternehmen im Bereich Governance zu entdecken.
Eines der zentralen Ergebnisse ist, dass die vier Governance-Funktionen (Interne Revision, Internes Kontrollsystem, Risikomanagement, Compliance), die vor allem eine Beratungs- und Überwachungsfunktionhaben, bei den Studienteilnehmern mehrheitlich etabliert sind. Karin Barthelmes-Wehr, Geschäftsführerin des ICG resümiert: „Corporate Governance war lange bei vielen Unternehmen der Branche nicht im Fokus – mittlerweile hat auch die Immobilienbranche die Bedeutung von guter Unternehmensführung erkannt.“
Vor allem im Risikomanagement (RMS) zeigen sich jedoch Verbesserungspotenziale bei der Integration strategischer Risiken – Stichwort Zukunftsperspektive – der Risikoidentifizierung und -bewertung sowie der Weiterentwicklung der Risikomanagementsysteme im Sinne des neuen IDW PS 340. Dr. Hans Volkert Volckens, Partner bei KMPG und ICG-Vorstandsmitglied, führt dazu aus: „Aufsichtsräte, Vorstände und Geschäftsführer sollten dies zum Anlass nehmen, das Risikomanagement auf den Prüfstand zu stellen. Bei dynamischen Märkten muss sich auch das Risikomanagement entsprechend dynamisch entwicklen und laufend angepasst werden. Hierfür ist organisatorisch Sorge zu tragen.“
Rund 70 Prozent der teilnehmenden Unternehmen sehen aktuell keinen Handlungsbedarf durch das neue Finanzintegritätsstärkungsgesetz (FISG). Volckens: „Dies kann entweder bedeuten, dass das FISG nicht auf das Unternehmen anwendbar ist, da es beispielsweise nicht börsennotiert ist, oder das die relevanten Themenstellungen bereits umgesetzt wurden. Dennoch sollten sich alle Aufsichtsräte, Vorstände oder Geschäftsführer versichern, dass alle Herausforderungen des FISG umgesetzt sind.“
Zur Unterstützung der Governance-Funktionen kommen verschiedene Tools zum Einsatz. Am häufigsten (55 Prozent) arbeiten die Unternehmen mit MsOffice-Lösungen. 15 Prozent verwenden sogar nur MsOffice-Lösungen. Die Verbreitung von Fachanwendungen für Governance- Funktionen ist überraschend gering. Dies deutet daraufhin, dass sich viele Unternehmen noch nicht ausreichend mit der Digitalisierung ihrer Governance-Prozessebeschäftigt haben. So sehen 70 Prozent der Befragten das Thema Digitalisierung als Top-Handlungsbedarf.
22 Unternehmen haben sich bei der Implementierung des Compliance-Management-Systems (CMS) an den Leitlinien des ICG orientiert, 13 davon zusätzlich an den Leitlinien des IDW PS 980. „Das ICG-System hat sich im Markt gut etabliert – allerdings sollten es noch mehr Unternehmen nutzen“, kommentiert Barthelmes-Wehr. Volckens ergänzt: „Eine Auditierung mit anschließender Zertifizierung des CMS trägt zur Stärkung der Compliance-Funktion im Unternehmen bei. Sie sendet starke Signale an den Kapitalmarkt und die Öffentlichkeit und bringt zusätzliche Sicherheit für Vorstände und Geschäftsführer durch eine unabhängige Perspektive. 58 Prozent der Unternehmen lassen aber das Instrument der Zertifizierung ungenutzt.“
Als wichtigste Compliance-Risiken bzw. Themenschwerpunkte der Compliance nennen 31 Studienteilnehmer den Datenschutz und die IT-Sicherheit als Risiko, am zweithäufigsten wurden Betrugs- (26x) und Geldwäscheprävention (24x) genannt. Dazu die ICG-Geschäftsführerin: „Die Themen, die sich im Fokus der Compliance-Risikoeinschätzung der Unternehmen der Branche befinden, sind hochaktuell. Künftig werden aber gerade auch Risiken im Bereich ESG wichtig werden.“ 13 Prozent der Befragten haben zudem keine dokumentierte Risikoanalyse. „Alle Unternehmen, die keine regelmäßigen Inventuren von Compliance-Risiken durchführen, sollten ihr CMS überprüfen und eine dokumentierte Risikoanalyse erstellen“, rät Volckens.
Die aktuellen Anforderungen an die Geldwäscheprävention sind überwiegend adressiert. Demnach haben sich 97 Prozent bereits mit den Anforderungen des Geldwäschegesetzes (GwG) auseinandergesetzt. 52 Prozent haben dafür einen Geldwäschebeauftragten bestellt. „Die weit überwiegende Zahl der Unternehmen hat sich bereits mit dem Thema auseinandergesetzt, aus gutem Grund, da die Anforderungen international, auf EU-Ebene und nach der nationalen Risikoanalyse auch in Deutschland stetig steigen und die Immobilienbranche im Fokus der Aufsicht ist“, so Volckens. „Compliance wird heute nicht mehr nur als Überwachung, sondern vor allem auch als Beratung für die Mitarbeiter wahrgenommen. Der Compliance Officer kann der Belegschaft Sicherheit für den richtigen Umgang mit diffizilen Fragestellungen geben“, fügt Barthelmes-Wehr hinzu.
Generell geben die Befragten an, dass vor allem im Bereich Digitalisierung Handlungsbedarf besteht, um die Weiterentwicklung der Governance-Systeme voranzutreiben.
„Dass vor allem mittlere und große Unternehmen ein großes Interesse an Corporate Governance haben, zeigt sich daran, dass kaum kleine Unternehmen an der Studie teilgenommen haben. Ebenso lässt sich anhand der Studienteilnehmer erkennen, dass Corporate Governance vor allem in börsenregulierten Unternehmen eine Rolle spielt“, so Barthelmes-Wehr und Volckens abschließend.
Quelle: Institut für Corporate Governance in der deutschen Immobilienwirtschaft e.V.