Wenn ein Asiate dem Westen die Meinung geigt

Warum Fernost erfolgreicher im Kampf gegen das Coronavirus ist … und was kulturelle Werte damit zu tun haben

Dr. Hanne Seelmann ConsultantsAsienerfahrene wissen: Normalerweise halten sich unsere Kooperationspartner sehr mit Kritik am Westen zurück. Zu den Ausnahmen gehört schon seit langem Kishore Mahbubani aus Singapur. Er war früher Botschafter des Stadtstaates und betonte schon in den 90er Jahren (zusammen mit dem Staatsgründer Singapurs Lee Kuan Yew) die Existenz und Legitimität asiatischer Werte. Lesen Sie, was er nun dem Westen in Bezug auf die Coronaepidemie vorwirft.

„Daten lügen nicht“
Kishore Mahbubani

Kishore Mahbubani

Das war die Überschrift eines Artikels von Kishore Mahbubani im Magazin „Der Spiegel“ vom 23. Oktober 2021. Am Beispiel der Coronatoten will er zeigen, dass der Westen im entschlossenen Kampf gegen das Coronavirus versagt hat. Und er geht weiter: Seiner Meinung nach würde der Westen auch keine Lehre aus diesen Erfahrungen ziehen – weil sie für uns zu unangenehm seien.

Unterschiedliche kulturelle Werte als Ursache

Der 73 jährige Politikwissenschaftler proklamiert, dass es starker staatlicher Strukturen bedarf, um eine Gesellschaft zu schützen. Als Gründe für diesen starken Staat sieht er jedoch weniger politische als kulturelle Überzeugungen. Es sei nicht der Machtanspruch einer kommunistischen Partei (wie in China), der diesen starken Staat legitimiere, sondern die kulturellen Werte, die im Konfuzianismus begründet liegen.

Rechte im Westen – Pflichten und Verantwortung in Fernost

Mahbubani weist darauf hin, dass es grundlegende Unterschiede in Bezug auf das Selbstverständnis der Menschen gäbe. Im Westen dominiere die Vorstellung vom Individuum mit unverletzlichen Rechten. In Fernost hingegen verstehe sich der Einzelne als Teil einer Gemeinschaft, in der er auch Pflichten zu erfüllen habe. Dabei bezieht er sich vor allem auf konfuzianisch geprägte Länder, also China, Taiwan, Südkorea, Japan und Singapur.

Was ist „Freiheit“?

Während der Westen eine „Freiheit von..“ (z.B. staatlichen Vorgaben) fordere, wünsche man sich in Fernost eine „Freiheit für“, zum Beispiel „… ein glückliches Leben mit Familien und Freunden zu führen, geschützt von einer starken Zentralregierung, die für Ordnung sorgt.“ (Mahbubani im Spiegel Nr. 43, 2021, S.61).

Und dies habe Auswirkungen auf das Verhalten des einzelnen. Mahbubani verweist darauf, dass man in Asien schon immer Gesichtsmasken z.B. bei einer Erkältung getragen habe, um andere zu schützen. Im Westen hingegen – er kritisiert die offensive Maskenverweigerung von Trump – betrachte man dies als unzumutbare Freiheitseinschränkung.

One-World-Culture mit westlichen Werten?

Die Aussagen Mahbubanis muss man natürlich vor dem Hintergrund der Erwartungen vieler westlicher Menschen (und Politiker) sehen, die von einer Überlegenheit abendländischer Werte ausgehen. Deshalb wähnt man auch eine One-World-Culture, in der die gesamte Welt diese westlichen Werte übernehmen werde („Wandel durch Handel“). Gegen diesen „Missionierungsansatz“ protestiert Mahbubani. Er verweist darauf, dass zum Beispiel China niemandem seine Weltanschauung aufzwingen wolle.

Der Westen soll westlich bleiben!

Und auch er fordert in seinem Artikel, der Westen solle seine Werte behalten. Zu den positiven Eigenschaften zählt für Mahbubani nämlich die Kreativität in westlichen Gesellschaften. Er lobt, dass es westlichen Wissenschaftlern gelungen sei, in Rekordgeschwindigkeit Impfstoffe gegen das Cornavirus zu entwickeln.

Konsequenzen für den geschäftlichen Alltag

Was heißt das nun für Ihren geschäftlichen Alltag? Das Selbstbewusstsein Ihrer asiatischen Partner und Kollegen wird zunehmen. Wir werden in Zukunft noch stärker unsere „Ambiguitätstoleranz“ in Bezug auf anderskulturelle Werte entwickeln müssen.

Konkret heißt das: Andere Werte sind anders – nicht besser, nicht schlechter, einfach nur anders. Dies zu akzeptieren fällt uns im Westen nicht leicht. In meinen Veranstaltungen erläutere ich deshalb auch, warum das so ist. Allerdings kommt es manchmal zu Aussagen, wie ich Sie neulich von italienischen Kunden gehört habe: „They are wrong and we are right. So they have to adopt our values!“. Was soll man zu so einer Einstellung im internationalen Handel noch sagen?

Quelle und Bildquelle: Dr. Hanne Seelmann Consultants