Logistik-Indikator 1. Quartal

„Rückkehr zum gesunden Realismus“

  • Bundesvereinigung Logistik - logoPessimismus des vergangenen Jahres nicht bestätigt
  • Zeit der ungebremsten Preisanstiege offenbar vorbei

Ein Kommentar von Prof. Dr.-Ing. Thomas Wimmer, Vorsitzender des Vorstands der Bundesvereinigung Logistik (BVL) e.V., zum Logistik-Indikator des ifo Instituts

Nach dem russischen Angriff auf die Ukraine rauschten die Daten des Logistik-Indikators erwartungsgemäß in den Keller. Schaut man sich jedoch die Langzeit-Entwicklung von Geschäftslage, Geschäftserwartungen und Geschäftsklima genau an, fällt auf: Nie lagen die drei Indikatoren weiter auseinander, nie war der Pessimismus der Geschäftserwartungen so weit von der Geschäftslage entfernt wie im vergangenen Jahr.

Gesamtindikator

Gesamtindikator

Ähnlich war es nur während der Lehman-Krise 2008/2009 – allerdings umgekehrt. Damals waren die Wirtschaftsverantwortlichen trotz desolater Geschäftslage deutlich optimistisch, dass sich alles „zügig wieder zurechtruckeln“ würde. Nach Kriegsausbruch 2022 hingegen dominierte in der Wirtschaft der Pessimismus. „Lerne klagen, ohne zu leiden“ schien die Devise zu sein. Die geäußerten Befürchtungen waren allerdings weit schlimmer als die Realität. Den Akteuren im Wirtschaftsbereich Logistik muss man allerdings zugutehalten, dass anfangs wirklich nicht absehbar war, wo und wie sehr sich der Krieg auf die Wirtschaft auswirken würde.

Die Geschäftslage blieb in den vergangenen drei Quartalen stabil – knapp unter dem Normalwert. Die Geschäftserwartungen und das Geschäftsklima sind auf ihren besten Wert seit Ausbruch des Ukraine-Krieges geklettert und heute ungefähr wieder auf dem Niveau des Jahres 2019. Die Schere zwischen der Einschätzung der aktuellen Lage und den Zukunftserwartungen schließt sich rapide, insbesondere in Industrie und Handel. Der Trend bei den Logistikdienstleistern ist zwar derselbe, allerdings liegen die Geschäftserwartungen klar unter denen der Verlader. Kein Wunder: Die Läger sind gut gefüllt, die Nachfrage der Endkunden sinkt und die Warenströme werden weniger.

Der Indikatorwert für Preisanstiege liegt zwar immer noch 10 Punkte über Normal, aber auf dem geringsten Wert seit etwa zwei Jahren. Hier gibt es seit Monaten den gleichen Trend bei Logistikdienstleistern wie auch bei Industrie und Handel. Die Zeit der ungebremsten Preisanstiege ist offenbar vorbei.

Die Lagerbestände in Industrie und Handel steigen seit drei Quartalen deutlich und liegen erstmals seit 2020 wieder über dem Normalwert des Logistik-Indikators. In vielen Wirtschaftsbereichen gehören der Mangel an Materialien ebenso wie die Lieferkettenschwierigkeiten der Vergangenheit an. Insgesamt sehen wir bei Nachfragern und Anbietern logistischer Leistungen einen leichten Aufwärtstrend auf verhaltenem Niveau. Die im vergangenen Jahr geäußerten düsteren Prognosen der Auguren und die Sorgen der Protagonisten haben sich nicht bewahrheitet. Die Akteure kehren zu einem gesunden Realismus zurück.

Quelle und Bildquelle: Bundesvereinigung Logistik (BVL) e. V.