Amazon macht kleine Läden zu Lieferanten

Sieben Tage die Woche

Amazon.comUm Pakete schnell zu den Kunden zu bringen, hat sich Amazon speziell für ländliche, schwach besiedelte Regionen eine neue Strategie ausgedacht.

Amazon wirbt seit jeher mit einer schnellen Lieferung. Sie ist Teil des Prime-Versprechens und gehört auch zu jenen Vorteilen, mit denen der Konzern konkurrierende, kleinere Händler abhängen will. In Großstädten und Ballungsräumen mag dies auch kein Problem sein, denn dort hat Amazon häufig eigene, gut ausgebaute Lieferflotten. Auf dem Land sieht dies allerdings meist anders aus. Um auch hier zeitnah zu liefern und Kunden einen guten Service zu bieten, verfolgt Amazon offenbar eine neue Strategie: den zweckentfremdeten Einsatz von kleineren Läden im ländlichen Raum der USA.

So funktioniert das Liefer-Experiment von Amazon

Heimlich, still und leise soll Amazon seit dem vergangenen Sommer kleine Geschäfte in ländlichen Regionen der USA für ein „experimentelles Lieferprogramm“ rekrutiert haben, berichtet Recode. Die ausgewählten Läden beliefern demnach die Amazon-Kunden in einem Umkreis von zehn Kilometern und erhalten dafür pro Paket eine bestimmte Gebühr. Diese soll rund 2,50 bis 3 US-Dollar betragen. Bei 600 bis 800 Paketen pro Woche wäre für die kleinen Unternehmen ein zusätzlicher Verdienst von durchschnittlich 1.500 bis 2.000 Dollar in der Woche möglich.

„Die lokalen Unternehmen, die Amazon rekrutiert, reichen von Floristen über Restaurants bis hin zu IT-Geschäften, und keiner von ihnen muss über vorherige Liefererfahrung verfügen“, heißt es in dem Bericht. Allerdings verpflichten sich die Partnergeschäfte dazu, die Pakete an sieben Tagen in der Woche, also auch sonntags, für Amazon zuzustellen – und zwar an 360 Tagen im Jahr. Lediglich fünf freie Tage würden pro Jahr etwa gewährt. Außerdem müssen sie einen Standort zur Verfügung stellen, an dem die Pakete jeden Morgen angeliefert werden können.
Lieferungen in ländlichen Gebieten bergen Probleme

Das Liefer-Experiment findet dabei offenbar in verschiedenen US-Bundesstaaten statt. Explizit genannt werden beispielsweise Alabama und Mississippi, die beide zu den strukturschwächsten Staaten zählen, aber auch Nebraska, das sich durch rege Landwirtschaft sowie Schweine- und Rinderzucht auszeichnet. Was die Paketlieferung für Amazon in den ländlichen und abgeschiedenen Regionen der USA grundsätzlich so schwierig gestaltet, ist der Fakt, dass die Zustellung an sich deutlich länger dauert und damit weniger effizient ist.

Während in Großstädten „möglicherweise zwei Dutzend Pakete pro Stunde oder mehr“ zu den Kunden gebracht werden können, stellt die Lieferung auf dem Land, wo die Entfernungen zwischen den Häusern der Kunden deutlich größer sind, eine kostenintensive Herausforderung dar. Da sich hier eigene Lieferflotten offenbar weniger lohnen, setzte Amazon bisher auf große Paketdienste wie etwa UPS oder den US-Postdienst.

Amazon strebt nach Unabhängigkeit

Dass Amazon nun neue Liefermöglichkeiten auf dem Land testet, könnte darauf hindeuten, dass sich der Konzern nicht nur in den Ballungsräumen zunehmend von externen Dienstleistern unabhängig machen möchte, sondern eine umfassendere Autonomie anstrebt. Ganz neu scheint die Idee von Zustellungen durch kleine Läden nicht zu sein, denn wie es weiter heißt, habe Amazon ähnliche Versionen des Programms bereits in der Vergangenheit „in einigen internationalen Märkten ausprobiert“, etwa in Indien. In den USA sei die Strategie hingegen neu.

Geschrieben von Tina Plewinski
Dieser Artikel wurde zuerst auf dem Portal Amazon-Watchblog.de veröffentlicht.