German-British Business Outlook

KPMGUmfrageergebnisse 2022 – Status und Ausblick deutscher Unternehmen in Bezug auf ihre Aktivitäten in Großbritannien

Wie ist das erste Geschäftsjahr nach dem zum 1. Januar 2021 vollzogenen Brexit verlaufen? Wie sind die Zukunftserwartungen im UK-Geschäft und wie werden Chancen für neue Kooperationen eingeschätzt? Gemeinsam mit der British Chamber of Commerce in Germany (BCCG) haben wir 69 Unternehmen mit Geschäftsbezug zu Großbritannien zu diesen Themen befragt. Unsere Umfrage fand im Zeitraum Dezember 2021 bis zum 17. Februar 2022 statt. Die jährlich stattfindende Befragung wurde bereits zum vierten Mal durchgeführt.

Andreas Glunz

Andreas Glunz, Bereichsvorstand International Business, KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft

Die Ergebnisse zeigen, dass sich der Brexit tatsächlich so schlimm ausgewirkt hat, wie in unserer letztjährigen Studie befürchtet – und auch die Zukunftsaussichten sind düster:

Bei mehr als jedem Dritten der befragten Unternehmen (38 Prozent) sind die Umsatzerlöse in 2021 Brexit-bedingt gesunken; bei 22 Prozent der Befragten sogar sehr stark. Gleichzeitig leiden die Unternehmen als unmittelbare Folge des Brexits unter signifikant gestiegenen Kosten für Verwaltung (46 % der Befragten), Logistik (43 %), Zölle und Abgaben (36 %), Finanzierung (24 %) sowie IT-Anpassungen (23 %).

Auch der Blick in die Zukunft ist von Pessimismus geprägt. Mehr als jedes fünfte Unternehmen (22 Prozent) rechnet auch für das laufende Jahr 2022 erneut mit Umsatzrückgängen.

Deutschland ist innerhalb der EU mit großem Abstand das Land, welches den höchsten Preis für den Brexit gezahlt hat und zugleich das Land, das mit am stärksten von den wirtschaftlichen Folgen des Kriegs Russlands in der Ukraine betroffen ist. Insofern muss Deutschland auch ein großes inhärentes Interesse daran haben, die Wirtschaftsbeziehungen mit Großbritannien wieder auf eine solide, zukunftsgewandte Basis zu stellen. Angestrebt werden sollte ein noch stärker integriertes Europa inklusive Großbritannien, und das sowohl aus wirtschaftlichen als auch aus sicherheitspolitischen Erwägungen. Daher muss jetzt auch eine Neu-Verhandlung des Handelsabkommens zwischen EU und UK auf den Tisch.

Entwicklung des deutsch-britischen Handelsvolumens

Wie nachhaltig der britische Markt an Bedeutung verloren hat, zeigt sich am veränderten Handelsvolumen. Während vor dem Brexit jedes zehnte befragte Unternehmen mehr als 20 % seines globalen Handelsvolumens in Großbritannien erwirtschaftete, waren dies in 2021 noch lediglich 4 %. Auch innerhalb eines Fünf-Jahres-Prognosezeitraums erwarten dies nur 6 %.

Noch in 2015 betrug das Handelsvolumen (Exporte und Importe) zwischen Deutschland und UK EUR 127 Mrd. Seitdem ist es sukzessive auf unter EUR 100 Mrd. zurückgegangen (2021: EUR 97 Mrd.), wohingegen sich das Handelsvolumen Deutschlands insgesamt um mehr als 20 % erhöhte. Ohne Brexit wäre ein deutsch-britisches Handelsvolumen von über EUR 150 Mrd. zu erwarten gewesen.

Wegen der Erwartung weiterer Rückgänge, droht Großbritannien 2022 auch noch seinen Platz unter den Top 10 der Handelspartner Deutschlands zu verlieren.

56 % der befragten Unternehmen rechnen mit einem Schrumpfen der britischen Wirtschaft in den nächsten fünf Jahren. Für die EU und Deutschland glauben das aber nur 10 %. Zugleich geht nur rund ein Drittel der Befragten davon aus, dass die britische Volkswirtschaft in den nächsten fünf Jahren wachse. Für die EU und Deutschland sagen dies hingegen 60 bis 70 %.

Deutliche Zunahme der Verlagerungen aus Großbritannien in andere Länder erwartet

Die Handelsströme richten sich zunehmend an diesem „New Normal“ des Post-Brexit aus. So hat bereits ein Viertel der Unternehmen teilweise Verlagerungen im letzten Jahr vorgenommen. Im wesentlichen Umfang verlagert haben 6 % aus UK nach Deutschland sowie 3 % in ein anderes EU-Land.

Innerhalb der kommenden fünf Jahre planen 15 % der Befragten Verlagerungen aus dem Vereinigten Königreich nach Deutschland (i. Vj. 2 %) sowie weitere 15 % in andere EU-Länder (i. Vj. 5 %). Verlagerungen außerhalb der EU sind hingegen mit 6 % in geringerem Umfang geplant als im Vorjahr mit 15 %.

Fehlende Impulse für einen Neustart

Mit Blick auf neue Chancen halten nur 4 % der von KPMG und BCCG Befragten Partnerschaften in Zukunftsfeldern oder Drittmärkten für sicher oder sehr wahrscheinlich. Kooperationen im Bereich Familienunternehmen werden noch kritischer eingeschätzt.

Von einem Aufbruch nach dem Vollzug des Brexit kann nicht die Rede sein. Es sind keine Impulse erkennbar für Kooperationen – weder in Zukunftsmärkten wie in Afrika, noch zu Zukunftsthemen, wie etwa Nachhaltigkeit. Auch die Familienunternehmer beider Länder haben noch nicht zusammengefunden. Dabei geben die anstehenden Nachfolgeplanungen auf beiden Seiten des Kanals eigentlich genügend Raum. Die Politik sollte Anreize für Kooperationen schaffen und die Wirtschaftsverbände ermutigen, mehr zu kooperieren. Deutschland ebenso wie die EU können es sich nicht leisten, Großbritannien auszuklammern.

Die wenig optimistischen Zukunftsaussichten spiegeln sich auch in einer gesunkenen Investitionsbereitschaft der Unternehmen wider. Mit 69 % hat die überwiegende Mehrheit der deutschen Unternehmen keine konkrete Investitionsplanung für die kommenden drei Jahre.

Die vollständigen Studienergebnisse werden in Kürze veröffentlicht.

Quelle und Bildquelle: KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft